Aktuelles Heft

Band 16/1 – 2025

GrTitelseite der Coincidentia 2025, Band 16, Heft 1
Titel: Grundlegende Erfahrungenundlegende Erfahrungen

 

herausgegen von

Harald Schwaetzer und Kirstin Zeyer

 

Inhaltsverzeichnis

  • Grundlegende Erfahrungen
    Harald Schwaetzer, Kirstin Zeyer
  • Laienphilosophie und Redekunst. Hildegard von Bingen
    und Nikolaus von Kues
    Harald Schwaetzer
  • Die revolutionäre, ‚wilde‘ Frömmigkeit und der kognitive
    Wandel in der Zeit der religiösen Aufbrüche und der
    Bauernkriege um 1500. Der Eigenwert des je Besonderen
    in seiner Dynamik
    Wolfgang Christian Schneider
  • Aus dem Bösen geboren? Ein systematischer Vergleich
    zwischen Augustinus’ Erbsündenlehre und Schellings
    Begründung intelligibler Freiheit
    Jan Kerkmann
  • Von Wittgenstein lernen: Wittgensteins Kulturkritik
    und ein Blick auf unsere Zeit
    Moritz René Pretzsch
  • Philosophie der Orientierung in der Philosophie
    Michael Lewin
  • Die Würde des Mount Everest: Eine philosophische
    Untersuchung des Bergsteigens, des Massentourismus
    und der Rechte der Natur
    Henrieke Balzer

Buchbesprechungen

  • Dirk Hartmann: Neues System der philosophischen Wissenschaften
    im Grundriss. Bd. 1-7; Bd. 4: Biologie, Naturgeschichte, Neurowis-
    senschaft. Paderborn 2023
    Kirstin Zeyer
  • Marius Menke: Die zwei Welten des Augustinian liberalism. Der
    augustinische Liebesbegriff als Prinzip des politischen Handelns
    im liberal-demokratischen Rechtsstaat. Paderborner Theologische
    Studien 61. Sankt Ottilien 2023
    Harald Schwaetzer
  • Boris Kotchoubey: Der Untergang einer Institution. Wissenschaft
    zwischen Früh- und Postmoderne. Baden-Baden 2023
    Markus Riedenauer
  • Johann Valentin Andreae: Turris Babel sive judicorum de Fraterni-
    tate Rosaceae Crucis chaos (1619). De curiositatis pernicie syntagma
    (1620). Bearbeitet, übers. u. komm. von Frank Böhling und Wilhelm
    Schmidt-Biggemann. Johann Valentin Andreae: Gesammelte Schrif-
    ten. Hg. v. Frank Böhling, Bernd Roling u. Wilhelm Schmidt-Bigge-
    mann. Band 13. Stuttgart-Bad Cannstatt 2024
    Harald Schwaetzer
  • Helmut Pape: Der Körper der Moral. Versuch über den Anfang
    und das Ende des Menschlichen. Weilerswist 2024
    Harald Schwaetzer

Vorschau auf das kommende Heft

Die Autoren

Vorwort

GRUNDLEGENDE ERFAHRUNGEN

„Möchten sich doch viele finden, deren Geist ihr ganzes Leben hindurch die beständige Richtung behielte, nur den Menschen zu beobachten!“ „Wer sich zum eigentlichen Beobachter des Menschen bilden wollte, der müßte von sich selbst ausgehen“.[1] Karl Philipp Moritz hat mit seinem Magazin für Erfahrungsseelenkunde[2] von 1783 bis 1793 ein zehnbändiges Werk geschaffen, um sich in aller Vielschichtigkeit, aber auch gedanklicher Durchdringung grundlegenden Erfahrungen des Seelischen zuzuwenden. Leider ist dieses Unterfangen einer Selbstbeobachtung zur Vergewisserung bis auf wenige Ansätze einer Ersten-Person-Forschung heute kaum noch in der Psychologie zu finden.[3] Da mag es die Aufgabe der Philosophie sein, auf grundlegende Erfahrungen im Sinne einer Erfahrungsseelenkunde hinzudeuten. Unter den „vielen“, die sich Moritz wünschte, stellen die Beiträge des vorliegenden Heftes nur Brosamen dar, aber sie wollen doch im Ganzen die Bedeutsamkeit eines solchen Anliegens bewusst machen.

Die Beiträge dieses Heftes bilden keine geschlossene Einheit. Sie greifen je für sich aus auf bestimmte Hinsichten und methodische Fragen einer solchen Erfahrungsseelenkunde.

Laienphilosophie und Redekunst. Hildegard von Bingen und Nikolaus von Kues von Harald Schwaetzer weist ebenso wie der folgende Beitrag von Wolfgang Christian Schneider mit dem Titel Die revolutionäre, ‚wilde‘ Frömmigkeit und der kognitive Wandel in der Zeit der religiösen Aufbrüche und der Bauernkriege um 1500 auf die im späten Mittelalter und früher Neuzeit waltende differenzierte Vielschichtigkeit des mystischen Erlebens hin; dieses Erleben, so zeigt vor allem Schneider, wird nicht mehr einfach nur rational strukturiert, sondern es ist gerade die Aufgabe der Phantasie, der menschlichen Seele in sich und ihren Erfahrungen Orientierung zu geben.[4]

Jan Kerkmann blickt aus einer anderen Perspektive auf dieselbe Schicht der Seele. In Aus dem Bösen geboren? Ein systematischer Vergleich zwischen Augustinus’ Erbsündenlehre und Schellings Begründung intelligibler Freiheit geht es ihm um ein Bedenken der Frage des Bösen im Spannungsfeld der beiden großen Denker der Spätantike und des Deutschen Idealismus.

Mit Von Wittgenstein lernen: Wittgensteins Kulturkritik und ein Blick auf unsere Zeit umkreist Moritz René Pretzsch dieselbe Tiefe der Seele, die aus dem ihr eigenen Logos stammt, wie Heraklit einmal bemerkt. Wittgensteins Bedenken der Grenzen der Wissenschaft und der Weite des Denkens gelten ihm als bedenkenswerte Reflexionen angesichts einer eher auf einen eingeschränkten Wissenschaftsbegriff einseitig bauenden Gegenwartsgesellschaft.

Wenig überraschend, kann sinnvoll auf diese vier auf ihre Weise zusammengehörenden Beiträge ein Reflexionsschritt folgen, wie ihn Michael Lewin in Philosophie der Orientierung in der Philosophie vornimmt. Die Bewusstwerdung der eigenen Situiertheit sei die Voraussetzung für die Einsicht, dass man sich immer schon orientiert hat. Der Erhellung der grundlegenden Erfahrungen der Modi von Orientierung widmet sich im Anschluss an Stegmaiers Philosophie der Orientierung sein Beitrag.

Die Würde des Mount Everest: Eine philosophische Untersuchung des Bergsteigens, des Massentourismus und der Rechte der Natur von Henrieke Balzer lässt zum Abschluss eine Nachwuchswissenschaftlerin zu Worte kommen. Der Aufsatz ist das Ergebnis einer bei Kirstin Zeyer und Thilo Wesche im Wintersemester 2023/24 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg verfassten BA-Arbeit. Der Beitrag weist auf die Notwendigkeit einer neuen Naturphilosophie hin, welche die Wesenhaftigkeit der Natur wiederum als grundlegende Erfahrung ins Spiel bringt.

[1] Moritz, Karl Phillip: Aussichten zu einer Experimentalseelenlehre. In: Ders.: Werke. Hg. v. H. Günther. Frankfurt am Main 1981. III, 92.

[2] https://telota.bbaw.de/mze/.

[3] Die Universität Witten-Herdecke beherbergt ein Institut, welches sich diesem Vorhaben widmet: https://www.uni-wh.de/euer-campus/institute-zentren-und-ags/fakultaet-fuer-gesundheit/institut-fuer-erste-person-forschung-iepf.

[4] Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder die mythologische Dichtung der Alten. Berlin 1795, hier: Bremen 1966, 7: „Die mythologischen Dichtungen müssen als eine Sprache der Phantasie betrachtet werden.“

Harald Schwaetzer, Kirstin Zeyer