Philosophie interdisziplinär

Die Reihe „Philosophie interdisziplinär” erscheint im S. Roderer Verlag, Regensburg
und wird herausgegeben von Harald Schwaetzer und Henrieke Stahl.

Philosophie interdisziplinär Band 51

Heinrich Barth – Augustin der Denker

herausgegeben von
Sophie Asam, Paulus Schürmann
und Fabian Warislohner
S. Roderer, Regensburg 2021
ISBN 978-3-89783-963-2
Preis 28,95€

Beschreibung

Im Anschluss an die Neuausgabe von Heinrich Barths Monographie Die Freiheit der Entscheidung im Denken Augustins (1935/2019) wird nun erstmals eine seiner zahlreichen Vorlesungen zu Augustin dem Kreis der Interessierten zugänglich gemacht.

Die hier vorgelegte Edition bietet die Vorlesung, wie sie Barth im Anschluss an die besagte Augustinus-Monographie an der philosophischen Fakultät der Universität Basel gehalten hat: in den Sommersemestern 1936, 1939, 1943 und 1950 – in jeweils überarbeiteter Fassung. Damit kann hier ein weiterer wichtiger Abschnitt der für Barths Denken wesentlichen Auseinandersetzung mit dem christlichen Denker der Spätantike offengelegt werden.


Philosophie interdisziplinär Band 50

Aussprechen des Unaussprechlichen
Sprache und Kreativität bei Nikolaus von Kues

Hrsg. von Christian Kny, Susann Kabisch und Johanna Hueck
S. Roderer, Regensburg 2020
ISBN 978-3-89783-937-3
Preis 26,95€

Beschreibung

Angesichts der Relevanz von Sprache und Kreativität bei Cusanus und der thematischen Breite, in der sie von Bedeutung ist, waren die beiden Aspekte ein geeignetes Thema für eine Konferenz, die jungen Forscherinnen und Forschern verschiedener disziplinärer und thematischer Provenienz eine Plattform für die Vorstellung und Diskussion ihrer Auseinandersetzung mit Cusanus bot. Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge sind das Resultat dieser Konferenz. Sie zeigen – im Rahmen einer Reihe zweijährig stattfindender Konferenzen zu Cusanus, die von wechselnden Nachwuchsforscherinnen und -forschern organisiert werden –, wie sich eine neue Generation von Forscher­innen und Forschern mit Sprache und Kreativität bei Cusanus unter den Rahmenbedingungen unserer gegenwärtigen Wissenschafts- und Diskurslandschaft befasst. Sie bauen auf die bereits vorhandene Forschung auf, reichern sie an, eröffnen neue Blickrichtungen. In ihrer Gesamtheit bieten die Beiträge dieses Bandes unter dem Stichwort ‚Ineffabilität‘ einen vielseitigen und interdisziplinären Blick auf Sprache und Kreativität bei Cusanus.


Philosophie interdisziplinär Band 49

Werte – Bilder – Erkennen
Festschrift für August Herbst

Herausgegeben von Kirstin Zeyer

S. Roderer, Regensburg 2019

ISBN: 978-3-89783-925-0
Preis: €26,95

Weitere Informationen

Vorwort

Die vorliegende Festschrift zum siebzigsten Geburtstag von August Herbst versammelt Beiträge zu den Themen „Werte – Bilder – Erkennen“, die wir dem Jubilar in der gebundenen Form eines „Herbstlich-futuristischen Blumenstraußes“ (T. Borsche) präsentieren.

Nicht von ungefähr eröffnet ein Beitrag zur Gartenphilosophie von Arne Moritz den Reigen der „Werte“. Unter dem Titel Der Garten der Freiheit – Die Freiheiten des Gartens wird u.a. mit Aristoteles der Garten zwischen Natur und Kunst, Freiheit und Moral verortet. In ihrem Beitrag zur Entstehung des Wertbegriffs und zu den Herausforderungen des Wertdenkens geht Kirstin Zeyer auf den Ursprung der Wertphilosophie im Neukantianismus zurück, um vor diesem Hintergrund die Frage moralischer Verbindlichkeit kritisch zu diskutieren. Mit Der bittere Nachgeschmack des Komischen – Henri Bergson und das Lachen widmet sich Matthias Vollet einem konkreten Wert, dessen sprachliche Voraussetzungen, mechanisch-körperliche Funktionen und soziale Wirkweisen einer Charakterstudie im Anschluss an Überlegungen Bergsons unterzogen werden. Die Kehrseite eines Wertes bzw. seine Polarität kennt auch das Judentum. Coban Menkveld legt in seinem Beitrag Der Mensch als heiliges Triebwesen – Die chassidische Erzählkunst als religiöse Tiefenpsychologie exemplarisch die Einsicht in die Unentbehrlichkeit des ,Bösen‘ als Triebfeder für die Ausrichtung auf das ‚Gute‘ dar.

„Bilder –Erkennen –Werte“: Rückt man die Bilderfrage in den Vordergrund, so verliert sich keinesfalls der Zusammenhang mit den Werten oder dem Erkennen. Das gilt sicher auch für Inigo Bockens marialogisches Traktat Maria – Spiegel des Verlangens, in dem ein religiöser Trieb Ausdruck in den vielen Bildern Mariens findet, die ihrerseits auf Raum für Inspiration verweisen. Mit den Möglichkeiten eines Neuanfangs stellt sich die Frage nach der Zukunft. Unter dem Titel Zukunftsvorstellungen und -bilder in Geschichte und politischer Ikonographie macht Armin Owzar auf ein Desiderat der Geschichtswissenschaft aufmerksam, die sich noch zu wenig mit der in Bildern, Gebäuden und Dingen gestellten Frage nach der Zukunft befasst, obwohl auch sie, wie andere historische Texte, erst einmal gelesen und verstanden werden müssen. Dass nicht nur Zweideutigkeit, sondern auch Zweifelhaftigkeit ihren Wert im Hinblick auf den Umgang mit und der Haltung zur Kunst hat, veranschaulicht Martin Thomé in seinem Beitrag: Der Wert des Zweifels und die Kunst. Gerade die Uneindeutigkeit der Kunst und der Fragen provozierende Zweifel konfrontieren dabei mit dem Zusammenspiel von Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart. Elena Filippi konkretisiert die produktive Auseinandersetzung mit Kunst in ihrem Beitrag Denkbilder – Cusanische Spuren bei zwei Künstlern der Gegenwart. Anhand von Zeichnungen Ekkehard Welkens’ einerseits sowie Plastiken von Wilhelm Senoner andererseits wird fassbar, wie wahre Kunst uns in Erstaunen setzt und wie ein Bild zum Denkbild wird. Eine Kunst oder bildliche Vorstellung, die ins Künstliche drängt und mit einer unreflektierten Auffassung vom ‚Selbst‘ zusammenhängt, thematisiert Tilman Borsche klärend unter dem Titel Designer-Self – Von der Lust, dem Wahn und der Verzweiflung an der Machbarkeit des Selbst.

„Erkennen – Werte – Bilder“: Wies schon das Designer-Self in diese Richtung, so fragt sich ganz im Zeichen des „Erkennens“ mit Gottfried Schwitzgebel: Begriffsfindungsstörungen – was meinen wir, wenn wir von Künstlicher Intelligenz sprechen, denn der Begriff der KI, besonders der ‚Intelligenz‘ erfordert eine genauere Bestimmung. Als weitaus hartnäckiger erweisen sich die Probleme, die Gregor Nickel in seinem Beitrag Mathematik paradox erörtert. Nickel präsentiert einen ganzen „Bilderbogen mathematischer Paradoxa“, die u.a. die (geometrische) Anschauung, die (Un)stetigkeit sowie das Unendliche betreffen. Erkenntnistheoretisch gewendet sind es die Grundlagen der Mathematik, die in der Begründungsfrage stehen. Eine exemplarische Darstellung dessen, wie Anschauung wissenschaftlich begründet werden kann, findet sich mit Harald Schwaetzer in seinem Beitrag Ästhetische Anschauung und produktive Einbildungskraft: Bedingungen einer Wissenschaft der Anschauung. In einem dem Jubilar vertrauten Spannungsfeld zwischen Erkenntnistheorie und Psychologie werden die Interpretation der transzendentalen Synthesis der Apperzeption Kants bei Johannes Volkelt behandelt. Den Hintergrund bilden Volkelts Beschäftigung mit Fragen des Traums sowie Fortlages Überlegungen zur Phantasie. Die Frage der Erkenntnis, des Wertes und des Bildes vereint das abschließende Thema von Wolfgang Christian Schneider: Freundschaft und Dichtung: das Rettende in vergifteter Zeit – Widerständige Freundschaftsbindungen ns-ferner Mitglieder des zerfallenden George-Kreises nach dem Tode des Dichters.

Das vorliegende Zeichen der Freundschaft wäre nicht möglich gewesen ohne den besonderen Einsatz aller Beteiligten. Zu danken ist den Autoren, aber auch dem S. Roderer Verlag, namentlich Herrn Dr. Rainer Welz, für die bewährte Zusammenarbeit.

Zum 27. Juli 2019
Harald Schwaetzer / Kirstin Zeyer

 


Philosophie interdisziplinär Band 48

Heinrich Barth – Philosophische Systematik an ihren Grenzen
Heinrich Barths „transcendental begründete“ Existenzphilosophie

herausgegeben von Christian Graf, Johanna Hueck, Kirstin Zeyer

S. Roderer, Regensburg 2019
ISBN: 978-3-89783920-5
Preis: €26,90

Vorwort

Vorwort: Philosophische Systematik an ihren Grenzen

Heinrich Barth versteht sich als Existenzphilosoph. Die Philosophie der Erscheinung, die er seiner Existenzphilosophie zugrunde legt, kennzeichnet ein eindeutig kritischer Impuls gegenüber allen Formen von Rationalismus. Barths Denken stellt sich ohne Wenn und Aber der modernen „Differenzerfahrung“, um es mit dem Wort Claus-Artur Scheiers zu sagen[1] „Umso bemerkenswerter“,[2] dass Barth gleichwohl am Projekt einer philosophischen Systematik festhält. Der Systemgedanke wird dadurch freilich an seine Grenzen geführt. Seine tiefgreifede Tranzformation ist die Voraussetzung dafür, dass er unter Bedingungen der Moderne nochmals zu überzeugen vermag. Barths Systematik „vergisst […] nie, dass sie […] nie zu einem Determinatum werden kann, sondern wesensmäßig auf ein Determinandum zurückbezogen bleibt, letzten Endes auf die Erscheinung.“[3] Das ist es, was für den von Barth affirmativ verwendeten Begriff eines „offenen“ Systems ins Gewicht fällt.[4] „Der Systemgedanke soll bejaht werden, aber unter dem nachdrücklichen Vorbehalte, dass das gnoseologische Moment der ,Auslegung‘ grundsätzlich und eindeutig in den Begriff des ,Systems‘ einbezogen wird.“[5] Barth schenkt dem Problem der Kontingenz, der Faktizität der Existenz, dem Willen, der atheoretischen Praxis, dem Unbewussten, der Leiblichkeit usf., also all dem, was zum „Anderen der Vernunft“ erklärt wurde, was das System zerbrechen könnte und in den Augen mancher tatsächlich zerbrochen hat, eine eingehende Aufmerksamkeit, die nun gerade dem verwandelten oder sich verwandelnden „System“ zugutekommen soll. Es ist symptomatisch, dass er die Aufwertung des Praktisch-Existenziellen im Rahmen kantianisch-neukantianischer Transzendentalphilosophie betreibt,[6] sich für die Aufarbeitung des Problems der Kontingenz in die Modalitätsproblematik im aristotelischen, mittelalterlichen und Leibnizschen Kontext vertieft und auch im Blick auf das Unbewusste historische Referenzen älteren Datums wählt (auch dort wiederum mehr Leibniz als Schelling). Wie Barth ja auch wiederholt betont, dass das Problem der Existenz keine Entdeckung neuerer Zeiten sei, so liegt ihm offenkundig viel an der Ansicht, dass die Gefährdungen systematischer Geschlossenheit systematisches Denken von jeher begleitet haben und Metaphysikkritik sinnvoll und fruchtbar in erster Linie als immanente Kritik zu vollziehen ist. Im Leibniz-Kapitel der Philosophie der Erscheinung schreibt Barth: „Für Geist und Sinn eines philosophischen Systems kann dessen Auseinandersetzung mit der ,Kontingenz‘ als Prüfstein angesehen werden.“[7] Als Prüfstein! Weit davon entfernt, Systematik zu gefährden, wird gerade Kontingenz zum Gradmesser, ob eine Systematik etwas taugt. Wenn Systematik aufs Ganze geht, auf den universalen Zusammenhang ausgreift, so wäre ja ihr Scheitern am Problem der Kontingenz das untrügliche Zeichen, dass sie zu wenig weit ausgreift und solchermassen ihre Bestimmung verfehlt.

Um das Jahr 1930 bezeichnet Barth seine Philosophie gelegentlich als eine „Philosophie der Krisis“,[8] eine Philosophie der „kritischen Begrenzung“, womit er sich ganz in die Tradition der Kantischen Philosophie zu stellen meint. Solche „kritische Begrenzung“ aber wird ihm zum Medium einer philosophischen Grundlegung, wie sie Barths Anspruch nach tiefer und radikaler nicht gedacht werden kann. Von einer „gleichsam archimedischen Systembegründung“ ist die Rede.[9] Begrenzung und Begründung sind in Barths Denken dialektisch aufeinander bezogen. Und dies überrascht umso weniger, je stärker die Einsicht Raum gewinnt, dass Barth zwischen der Aufrechterhaltung des traditionellen Systemanspruchs der Philosophie und der Notwendigkeit, der sich verändernden Geisteslage zu entsprechen und ein aktuelles Denken zu pflegen, stets ein eminent fruchtbares Spannungsverhältnis gesehen hat, wovon seine Philosophie in allen ihren Haupt- und Seitenthemen konsequent Zeugnis ablegt.

Der vorliegende Band kann auf die Beiträge zweier Tagungen zurückgreifen, die im November 2015 in Basel bzw. im September 2017 in Bernkastel-Kues stattgefunden haben, die erste unter dem Titel Philosophische Systematik heute. Heinrich Barth und der Erkenntnisanspruch der Philosophie, die zweite unter dem Titel Unbewusste Existenz und existenzielle Erkenntnis. Die systematische Stellung des Unbewussten in der Existenzphilosophie Heinrich Barths. Die aus diesen Quellen gespeiste Textsammlung wurde durch verschiedene weitere Beiträge erweitert und ergänzt. Zur Ordnung der Texte empfahl sich folgende Einteilung: In Abteilung I geht es um den Begriff eines offenen Systems. Unter der Überschrift „Offenheit, Geschlossenheit und des philosophischen Systems. ProbIemgeschichtliche Gedanken zu Heinrich Barth“ versucht zunächst Christian Krijnen zu zeigen, dass der Gedanke eines „offenen“ Systems vor dem Hintergrund der Systemphilosophien des Neukantianismus und Hegels letztlich nicht haltbar sei, indem die besagten Systementwürfe nämlich selbst schon samt und sonders genauso offen oder geschlossen gewesen seien, wie ein philosophisches System es seiner Idee gemäß sein könne. Eine größere „Offenheit“ könnte dann nur die Preisgabe des Systematischen bedeuten. Demgegenüber zeigt Armin Wildermuth („Der Systemgedanke Heinrich Barths“) eine ganze Reihe von Aspekten auf, die zur Bedeutung des „offenen“ Systems bei Barth gehören und dem entsprechenden Gedanken wieder neue Berechtigung und neues Gewicht geben können. Auch Christian Graf versucht sich in einer Verteidigung der durch Heinrich Barths Philosophische Systematik in Anspruch genommenen „Offenheit“. Vielleicht sollte der Begriff des Systematischen gegenüber der ausschließlichen Orientierung an Hegel und dem Neukantianismus seinerseits neu geöffnet und diskutiert werden. Weil er auch auf andere in diesem Band ausgesprochene Thesen zu antworten versucht, wurde der letztgenannte Beitrag ans Ende des Buches gestellt.

Der Auseinandersetzung über Offenheit oder Geschlossenheit des Systems, die ihrerseits in weiteren Beiträgen in diesem Band fortgeführt wird, liegt die bei früherer Gelegenheit veröffentlichte und weiter oben angeführte Stellungnahme Claus-Artur Scheiers zugrunde, die zwischen der Konzeption einer Philosophischen Systematik bei Heinrich Barth und traditionellen Systemkonzeptionen eine entscheidenden Unterschied ausmacht und diesen in einer Weise interpretiert, die zu einer fruchtbaren Kontroverse geführt hat.[10]

Abteilung II konzentriert sich auf „Die Existenz in ihrer Transzendenz“. Dieser Titel wurde gebildet als Gegenstück zu demjenigen von Abteilung III: „Die Existenz in ihrer Begrenzung“, wobei die letztere Formulierung eine Kapitelüberschrift aus Heinrich Barths Erkenntnis der Existenz aufnimmt („Die Existenz in ihrer Begrenzung und in ihrer Kontingenz“, Kapitel 8). Zunächst thematisiert hier Johanna Hueck Heinrich Barths Wahrheitsbegriff mit Blick auf seine Bedeutung für die transzendentale Begründung der Existenz. In den folgenden drei Beiträgen findet, ausgehend von der Philosophie Heinrich Barths recht fernstehenden Ausgangspunkten, eine jeweils ganz eigene Annäherung an dieselbe statt. Guy van Kerckhoven lässt sich aus einer phanomenologischen Perspektive auf eine intensive Begegnung mit der existentiellen Transzendenz bei Barth ein, indem er der Lichtmetaphorik besondere Aufmerksamkeit schenkt. In starkem Kontrast dazu thematisiert danach Martin Bunte betont sachlich und mit großer Sorgfalt Barths Begriff der „transzendentalen Transzendenz“ vor dem Hintergrund einer strengen Kantlektüre und vergleicht die Bedeutung, die hier und dort, bei Kant und bei Barth, den mittelalterlichen Transzendentalien zuerkannt wird. Der nachfolgende Beitrag von Thomas Rentsch stellt einen, mit Barth könnte man sagen: „kritisch gereinigten“, Transzendenzbegriff ins Zentrum und entfaltet ihn nach seinen unterschiedlichen Aspekten. Die Rede von einer „konkreten Transzendenz“ wäre bei Barth ausgeschlossen. Umso bemerkenswerter die hinter den differierenden Terminologien und geschichtlichen Referenzen aufscheinende sachliche Nähe!

In Abteilung III wird „Die Existenz in ihrer Begrenzung“ ins Auge gefasst und damit das Problem der Kontingenz, der Reflexion, des Unbewussten. Kirstin Zeyer eröffnet den Reigen mit einem Beitrag zur Kontingenzproblematik, der Barths Thematisierung des Problems in den Kontext zeitgenössischer Veröffentlichungen zum Thema stellt, insbesondere im Blick auf die große Untersuchung von Peter Vogt (Kontingenz und Zufall, 2011). Unter dem Titel „Einheit und Mannigfaltigkeit der Existenz“ und die aktuelle Bezogenheit der Thematik hervorhebend setzt sich danach Theresa Steffestun mit Barths Bestimmung der ,unbewussten Existenz‘ auseinander, wobei sie dem Reflexionsbegriff besondere Aufmerksamkeit zukommen lässt. Während der nachfolgende Beitrag von Claus Artur Scheier die kritischen Punkte scharf ins Auge fasst, an denen Barths erscheinungs- und existenzphilosophische Thematisierung des Unbewussten mit Heidegger, Sartre, Husserl und einigen anderen Zeitgenossen in Konflikt gerät, vergegenwärtigt Armin Wildermuth im Anschluss daran einige wichtige Perspektiven, die für ein Verständnis von Barths Problematisierung der ,unbewussten Existenz‘ ins Gewicht fallen und zu beachten wären. Johanna Hueck schließt die dritte Abteilung mit einem Beitrag ab, der die Problematik des Bewusstwerdens aus dem Blickwinkel von Barths Schelling-Rezeption in Betracht zieht. Das Ende des Bandes bildet, wie schon gesagt, der koınmentierende Beitrag von Christian Graf zum Stichwort „Aufgeschlossenheit“.

Basel, April 2019Christian Graf

  1. Scheier, Claus-Arthur: Begriff und Erscheinung. Heinrich Barths Grundlegung einer Philosophischen Systematik. ln: Das Wirklichkeitsproblem in Metaphysik und Transzendentalphilosophie. Heinrich Barth im Kontext. Hg. v. Christian Graf/ Harald Schwaetzer, Basel 2014, 121-133. hier 123.
  2. Ebd, 125.
  3. Ebd, 103.
  4. Ebd, 104
  5. Ebd, 102.
  6. So in seiner Philosophie der Praktischen Vernunft (PV) aus dem Jahr 1927.
  7. PE II, 339.
  8. Vgl. z.B. Kant und das Probelm der Metaphysik, in: Zwischen den Zeiten 6(1928), 406-428, hier 79ff.
  9. PV, 15.
  10. Vgl. Scheier, Claus-Artur: Begriff und Erscheinung (siehe Anm. 1).

Philosophie interdisziplinär Band 47Cover des Bandes 47 der Reihe Philosophie interdisziplinär. Titel: Heinrich Barth - Die Freiheit der Entscheidung im Denken Augustins. Neu herausgegeben von Johanna Hueck

Heinrich Barth – Die Freiheit der Entscheidung im Denken des Augustins

Herausgegeben von Johanna Hueck

S. Roderer, Regensburg 2019
ISBN: 978-3-89783916-8
Preis: €24,80

Weitere Informationen

Es besteht wohl kein Zweifel, dass Augustinus in dem Sinne ein gegenwärtiger Denker ist, als dass durch und mit ihm Problemstellungen menschlicher Existenz philosophisch in die Erscheinung getreten sind, deren Bedeutung bis heute reicht. Nicht die geringste der Fragen ist diejenige nach der Freiheit. Wie kein zweiter hat Heinrich Barth in der Mitte des 20. Jahrhunderts diese Aktualität Augustins erkannt. Über lange Jahre seines Lebens hat er den christlichen Denker der Spätantike zum Gegenstand seiner Vorlesungen in Basel gemacht.
Von besonderer Tiefe und Weite des Horizonts ist aber seine hier wiederum vorgelegte Monographie „Die Freiheit der Entscheidung im Denken Augustins“. Zwar enthält sich die 1935 veröffentliche Publikation jedes zeitgenössischen Kommentars, wer jedoch weiß, wie die Brüder Karl und Heinrich Barth sich bereits seit den 20er Jahren gegen den Nationalsozialismus gestellt haben, der wird zwischen den Zeilen manches lesen können.
Das Augustinus-Buch dokumentiert eine dritte Etappe in Barths Denken; es setzt die Gedankengänge des 2018 ebenfalls neu herausgegebenen Buches „Die Seele in der Philosophie Platons“, ursprünglich 1921 veröffentlicht, und das 2010 erneut herausgegebene Werk zu Kant „Philosophie der praktischen Vernunft“ fort. So kann Augustinus neben Platon und Kant als wesentlicher Gesprächspartner für die Herausbildung von Heinrich Barths existenzphilosophischem Ansatz gelten.


Philosophie interdisziplinär Band 46

Symbole als Wegweiser in Franz Schuberts „Winterreise“

Tokihiko Umezu
übersetzt von Erika Herzog
S. Roderer, Regensburg 2019
ISBN 978-3-89783-911-3

Preis: €29,95

Prolog

„Wald der Symbole“

Die „Winterreise“ ist ein mystischer Liederzyklus.
Franz Schubert (1797-1828), der zwischen der Klassik und der Romantik seine Position findet, komponierte die „Winterreise“ ein Jahr vor seinem Tod. Dieser Zyklus lässt sich weder in die Klassik, die Romantik noch in die Gegenwart einordnen – nicht nur, weil der Text Wilhelm Müllers (1794-1827) moderne Elemente beinhaltet. Die „Winterreise“ trägt eine Binnenstruktur,
die jegliche Normen der Zeitform und des geographischen Raums überschreibt. So lässt sich der Zyklus ebenfalls nicht auf eine „Reise in Österreich“ einschränken.
Die „Winterreise“ wird musikgeschichtlich heutzutage als der Gipfel des deutschen Liedschaffens bewertet. Weltweit hat sich dieser Liederzyklus etabliert, und wird als unübertroffen betrachtet. Dieser Ruf wird wohl noch lange erhalten bleiben.
Doch gleichzeitig ist es für viele Menschen, die sich von der „Winterreise“ angezogen fühlen, schwierig, ein klares Verständnis dafür zu erlangen. Je tiefer man in die Welt der „Winterreise“ eindringt, desto stärker wird das Gefühl, in eine unbekannte Sphäre hineingezogen zu werden.
Der Umstand dieser speziellen Empfindung lässt auf mehrere Gründe schließen. Als ein ausschlaggebendes Element könnte man die vielen Symbole hervorheben, die der Zyklus in sich trägt.

Die „Winterreise“ ist ein Wald der Symbol

Auf den ersten Blick mag der Inhalt des Zyklus – ein junger Mann, zerbrochen an einer unglücklich ausgegangenen Liebe, begibt sich auf eine Reise – simpel klingen. Je tiefer man jedoch hineinblickt, wird die Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit, ihre Wechselwirkung und die Tatsache, dass ein Lied das andere beeinflusst, vor Augen getragen, was verschiedene Deutungen und Interpretationen möglich macht.
Durch die Verwendung rhetorischer Wiederholungen jedes Gedichtes und ihre auditive Darstellung erlebt das Publikum eine hörbare Struktur der Überschreibung. Diesen Weg beschritt Schubert vermutlich deshalb, weil er als junger Knabe die „Musiksprache“ während seiner Schulzeit im Konvikt erlernte.
Nach tiefgründiger Erforschung in diesem Bereich gelangte Schubert zur Symbolik – Methode, die Abstraktion anhand von Tönen mehrdeutig auszudrücken.
Die „Winterreise“ ist zweiteilig aufgebaut; jedoch ist der zweite Teil als Weiterbearbeitung des ersten Teils strukturiert. Theoretisch basiert der erste Teil auf Tatsachen, und man kann einen Ausgangspunkt aus der Realität ersehen. Gleichzeitig liegt dort eine klare Struktur der literarisch-musikalischen Sphäre vor.
Im zweiten Teil wird die Realität abstrahiert, und Schubert dringt in eine tiefe philosophische Welt ein. Es erscheint ein mit Entfremdung und Nihilismus gekoppeltes ideologisches Thema. Ebenso treten reale politische Probleme zum Vorschein.
Um deren Bedeutungen und Verhältnisse zu ergründen, ist man gezwungen, die unzähligen „Symbole“ im Schnee, der Wildnis und den Bergen herauszulesen.
Genau dies bedeutet, die „Winterreise“ zu verstehen; aus dem Aspekt des gedanklichen Ursprungs, der vergleichenden Kultur, der Aktualität des Vortrags und der Auffassung dieser Musik zu analysieren bedeutet, den Weg in die endlose Weite dieses Zyklus zu finden.
Dieser Weg führt uns gleichzeitig dazu, unsere eigene „Winterreise“ anhand unseres Lebens, unserer Musikkultur und unserer Zeit zu erkunden.
Aus diesen Gründen erstrebt dieses Buch keine Werkskommentare, sondern das Herauslesen einzelner Symbole und ihre Bedeutungen zu erforschen. Dabei werden alle Lieder einzeln analysiert; der erste Teil wird, basierend auf die Charakteristik beider Teile, aus dem Aspekt der Realität betrachtet, und im zweiten Teil wird das Blickfeld auf die philosophischen Gesichtspunkte erweitert.
Ich habe aus jedem Lied ein „repräsentatives“ Symbol herausgenommen und als Überschrift hervorgehoben, aber in allen Liedern sind natürlich unzählige andere Symbole enthalten.
Der Zweck dieses Buches ist nicht die Klassifikation und Sortierung der Symbole, sondern das bewusste Beschreiten des „Weges der Winterreise“ durch den Wald der Symbole.
Beginnen werden wir, Schuberts Aufstellung der Lieder folgend, mit dem ersten Lied. Angemerkt seien noch praktische Hinweise: Ich verwendete prinzipiell das Faksimile der Manuskripte (Noten und Text) aus der „Morgan Library“: Franz Schubert Winterreise, The Autograph Score. The Pierpont Morgan Library with Dover Publication, inc.,New York. Die Originalversion des Textes von Wilhelm Müller entnahm ich der Gesamtausgabe: Wilhelm Müller Werke Tagebücher Briefe, herausgegeben von Maria-Verena Leistner Mit einer Einleitung von Bernd Leistner. Verlag Mathias Gatza, Berlin.
Für mich, der seit vielen Jahren über Schubert geforscht hat, war es der ultimative Traum, dass mein Buch über die „Winterreise“ von interessierten Leserinnen und Lesern in Deutschland gelesen werden würde. Herrn Prof. Dr. Harald Schwaetzer, der mich bezüglich der Veröffentlichung in Deutschland tatkräftig unterstützt hat, indem er die ins Deutsche übersetzten Wörter und Inhalte Wort für Wort überprüft und meinen Forschungsinhalten zahlreiche wertvolle Hinweise gegeben hat, Herrn Prof. Dr. Kazuhiko Yamaki, der mir Hinweise und Ratschläge bei der Entstehung dieses Buches erteilt hat, sowie Pianistin Frau Erika Herzog, die über mehrere Jahre dieses Buch ins Deutsche übersetzt hat, möchte ich an dieser Stelle meinen tiefsten Dank aussprechen.

Tokyo, im November 2018
UMEZU Tokihiko