Band 12/2 – 2021
Li
nien des Geistes
herausgegeben von
Wolfgang Christian Schneider
und Kirstin Zeyer
Inhaltsverzeichnis Buchbesprechungen Vorschau auf das kommende Heft Zu den Autoren Vorwort LINIEN DES GEISTES Jedes Denken formt sich in Kommunikation, gerade auch in der Kommunikation über die Zeiten hinweg. In Widerspruch und Bejahung, in Fortentwicklung und Verkürzung, Abweichung, Verschiebung und Umwandlung werden Verbindungen und Anschlüsse gefunden, wird das je Eigene immer erneut erarbeitet. Es entsteht so ein Geflecht geistiger Linien, die unauslösbar auch Teil des jeweils Besonderen sind, was auf das Vorangegangene wie das Kommende ein neues Licht wirft. Diese vielfältigen Denkbeziehungen sucht der vorliegende Band der Coincidentia in Beispielen nachzuzeichnen. Am Beginn steht eine Spurensuche nach der unmittelbare Abbildlichkeit des Menschen vom Göttlichen bei Gregor von Nyssa und Meister Eckhart von F. B. Harriet. Damit ist mittelbar schon ein entscheidender Autor aufgerufen, Plotin. Denn Gregor von Nyssa wie sein Bruder Basilius waren von ihrer Großmutter Makrina gebildet worden, die ihrerseits – über Gregor den Wundertäter – Enkelschülerin von Origenes war, wodurch die wesentlich von Ammonios und Plotin repräsentierte geistige Welt Alexandrias mit dem konkretisierenden Ausfließen aus dem Einen bei den Kappadokiern zur Geltung kam. Wenngleich scheinbar verdeckt, bleibt diese konstituierende Abbildhaftigkeit im Weiteren gegenwärtig. Auch im cusanischen ego sum, quia tu me respicis und im cogito, ergo sum von Descartes ist es enthalten, wie K. Zeyer erhellt, dann aber auch in den Gedanken Beider zum Licht, das auch von Plotin wiederholt zur Charakterisierung des Ausstrahlens aus dem Einen aufgerufen wird. In dem mit diesen beiden Namen aufgewiesenen Spannungsraum bewegt sich auch J. Kerkmann mit seinen Ausführungen zur Plotin-Rezeption George Wolfgang Christian Schneider
Wolfgang Christian Schneider
Gregory of Nyssa and Meister Eckhart
Francisco Bastitta Harriet
Cusanische und cartesische Sehtheorie im Vergleich
Kirstin Zeyer
Zu einer strukturellen Gemeinsamkeit in der Plotin-Rezeption
George Berkeleys und G.W.F. Hegels
Jan Kerkmann
Max Maureira
Claus-Artur Scheier
Pathos und Response bei Kierkegaard und Nietzsche
Jan Juhani Steinmann
Benjamin Breeks philosophischer Beurteilung
Coban Menkveld
e i per-corsi del tardo albertismo. Münster 2018
Greta Venturelli
Auseinandersetzung mit Calvin. Basel 2021
Wolfgang Christian Schneider
Ausgabe / Reihe I: Werke. Band 14: ‚Vorlesungen über die
Methode des academischen Studium‘, ‚Philosophie und
Religion‘ und andere Texte (1803-1805). Herausgegeben von
Patrick Leistner und Alexander Schubach. Stuttgart 2021
Harald Schwaetzer
Ausgabe / Reihe II: Nachlaß. Band II,10,1-3: Initia Philosophiae
Universae. Erlanger Vorlesungen WS 1820/21. Herausgegeben
von Alexander Bilda, Anna-Lena Müller-Bergen und Philipp
Schwab. Unter Mitarbeit von Philipp Höfele, Petr Rezvykh,
Simone Sartori und Sören Wulf. 3 Bände. Stuttgart 2020
Harald Schwaetzer
der Anderen. Freiburg / München 2020
Osman Choque-Aliaga
Phänomene in Hannah Arendts politischem Denken. Praktiken
der Subjektivierung 24. Bielefeld 2021
Fabian Warislohner
Einführung. Hamburg
Inken Tegtmeyer
Wissenschaften im Grundriss. Bd. 1-7; Bd. 3: Physik,
Chemie, Kosmologie. Paderborn 2022
Kirstin Zeyer
Berkeleys und G.W.F. Hegels. Beide gehen grundsätzlich von der Entfaltung des Einen aus, bringen diese jedoch in verschiedene Zusammenhänge. Berkeley sieht sie mit Überlegungen zum Sehen und einem Bemühen um Erkenntnis zusammen, das – trotz Unerkennbarkeit, Seinstranszendenz und Bestimmungslosigkeit – von einem sich entfaltenden Göttlichen getragen ist, was am Ende zu einem esse est percipi führt; Hegel begreift den Entfaltungsvorgang als eine durch das Denken verfügte Dreiheit von unbestimmter Einheit, selbstbezüglicher Zusammengehörigkeit von Denkendem und Gedachten und konkreter Totalität intelligibler Prädikate. Von daher kann, wie M. Maureira darlegt, das Schweigen bei Hegel, als Sprache, aus Zeichen, Vorstellungen sowie den Verbindungen unter ihnen, wie in zweiter Existenz hervortreten. Da nichts außerhalb von Sprache bleibt, ergibt sich ihre Einheit auch in den Fragmenten und Aspekten des Schweigens. Grundmoment dieser Deutung des Schweigens bei Hegel ist die entscheidende Stellung des vorstellenden Ich als produktive Einbildungskraft, die bei Kant angelegt war, dann durch Fichte ausgefaltet wurde. Diese paradox sich im Augenblick anschauende Reflexion, diese originäre Anschauung ist Gefühl, das Gefühl originärer Anschauung, wie C.-A. Scheier in seiner Deutung der Wissenschaftslehre Fichtes darlegt. Von Kant ausgehend, aber das „einzige Faktum der reinen Vernunft“, konkret als Handlung und als Willen und daher als synthetisch auffassend, kommt er zu einem „Ruck im Prinzip“: zu einer umfassenderen Deutung des Ich. Mit dem Begreifen der Vereinzelung des Ich in seinem Erleben und Handeln ist dann auch das gesteigerte Selbst bei Kierkegaard und Nietzsche verstehbar, wie J. J. Steinmann zeigt, das sich bei beiden als zunächst beklemmendes, dann besinnendes und schließlich bestimmendes Antworten auf ein pathetisch wahrgenommenes Bedrängtsein ergibt. Der Band schließt mit C. Menkvelds Darstellung von B. Breeks philosophischer Beurteilung der geschichtstheoretischen Ansätze J. Romeins, der von theologischen – täuferisch akzentuierten – Anfängen über die produktive Auseinandersetzung mit Max Weber und Toynbee zu marxistischen und technikoptimistischen Positionen gelangte; der frühere religiöse körperschaftliche Bezug ist so zu einem sozial-technoeschatologischen Bezug hin verschoben. In beispielhaften Blicken zeigen die Beiträge das fortdauernde ‚lange Gespräch‘ über die Zeiten hinweg, das – auch scheinbar überholte Haltungen und Bewertungen einschließend – bis in das Heutige reicht und als solches notwendig ist, so zum gegenwärtigen Leben beiträgt.