Aktuelles Heft

Band 15/2 – 2024

InTitelseite der Coincidentia,dividuum und Kosmos

 

herausgegen von

Kirstin Zeyer,

Harald Schwaetzer und Nadja Görz

 

Inhaltsverzeichnis

  • Individuum und Kosmos
    Kirstin Zeyer, Harald Schwaetzer, Nadja Görz
  • Cassirer neu lesen: Die Cusanus-Deutung in „Individuum
    und Kosmos“. Bericht zum Forschungsworkshop des Philo-
    sophischen Seminars e.V., vom 14.-16. Juni 2024 in Freiberg
    – zur Einführung
    Nadja Görz
  • Cassirers „Individuum und Kosmos“ und die Philosophie der
    symbolischen Formen. Ein Überblick
    Kirstin Zeyer
  • Mathematik als Medium zwischen Individuum und Kosmos.
    Ein Seitenblick auf Ernst Cassirers Werk zur Philosophie der
    Renaissance
    Gregor Nickel
  • Die Averroismusdebatte und ihre Rolle bei der Frage nach
    der Individualität und Subjektivität
    Martina RoesnerErnst Cassirers Astrologie-Deutung
    Harald Schwaetzer
  • Cusanus, das italienische Rinascimento und das Strukturdenken.
    Ernst Cassirers „Individuum und Kosmos in der Philosophie
    der Renaissance“ (1927) als Anlauf zu einer strukturalen
    Deutung der italienischen Geistesgeschichte um 1500
    Wolfgang Christian Schneider

Buchbesprechungen

  • Origenes der Christ und Origenes der Platoniker. Hg. v. Balbina
    Bäbler / Heinz-Günther Nesselrath. Studies in Education and
    Religion in Ancient and Pre-Modern History in the Mediterra-
    nean and Its Environs 1. Tübingen 2018
    Harald Schwaetzer
  • „Das Paradies ist ein Hörsaal für die Seelen“. Hg. v. Peter Gemein-
    hardt / Illinca Tanaseanu-Döbler. Studies in Education and Reli-
    gion in Ancient and Pre-Modern History in the Mediterranean
    and Its Environs 2. Tübingen 2018
    Harald Schwaetzer
  • Die pagane Theologie des Philosophen Salustios, eingeleitet, übersetzt
    und mit interpretierenden Essays versehen von Nicole Belayche /
    Robbert M. van den Berg / Adrien Lecerf / Detlef Melsbach und
    Jan Opsomer, hg. von Detlef Melsbach. Tübingen 2022
    Harald Schwaetzer
  • Bernhard Schmalenbach: Lebensgeschichten von Menschen mit
    Down-Syndrom. Erkenntnisse und Erkundungen der Biografie-
    forschung. Stuttgart 2024
    Sara Müller

Vorschau auf das kommende Heft

Die Autoren

Vorwort

INDIVIDUUM UND KOSMOS

Ernst Cassirers Schrift Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance (1927) ist bekanntlich als der Versuch zu verstehen, der von Jacob Burckhardt unbestimmt gelassenen Rolle der Philosophie den ihr gebührenden Platz in der Kultur der Renaissance zuzuweisen. Diesen Platz sichert für Cassirer systematisch niemand anderes als Nicolaus Cusanus (1401-1464), dessen Lehre allein Hegels Forderung erfülle, einen „einfachen Brennpunkt“ darzustellen, in dem die verschiedenartigsten Strahlen sich sammeln, wie es einleitend in das erste Kapitel zu Cusanus heißt. Es stellt im Weiteren daher keine große Überraschung dar, dass Cassirers Aufmerksamkeit in Individuum und Kosmos hauptsächlich dem aus Kues stammenden Denker gilt.

Cassirer hatte bereits im ersten Teil seiner 3 Bände umfassenden Studie zum Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Cusanus in den Rang eines Begründers und Vorkämpfers der neueren Philosophie erhoben, nicht weil er nach Burckhardt’scher Typologie als ein ‚Mensch der Renaissance‘ zu greifen wäre, sondern im Gegenteil, weil er dem Überlieferten selbst, dem er sich zuwende, eine neue Form und Richtung weise.

Im Spannungsfeld zwischen Individuum und Kosmos handelt es sich dabei vor allem um Cusanus’ symbolische Erforschung der Welt, die zugleich als Schlüssel für eine Philosophie der Kultur nach Ernst Cassirer angesehen werden kann, so die inhaltlich zugrunde liegende, zugespitzte These des Forschungsworkshops des Philosophischen Seminars e.V. (vom 14.-16. Juni 2024 in Freiberg) zu Individuum und Kosmos, über den im vorliegenden Heft Nadja Görz ausführlich berichtet. Die Cusanus-Rezeption Ernst Cassirers (1874-1945) im Allgemeinen sowie deren möglichen Einfluss auf Cassirers Konzeption der Philosophie der symbolischen Formen im Besonderen analysiert Kirstin Zeyer in ihrem einführenden Überblick über die Schrift Individuum und Kosmos.

Der Vielseitigkeit des cusanischen Denkens gehen die weiteren Beiträge nach. Wie Cassirer bereits eingangs betont, ist Cusanus ebenso spekulativer Theologe wie er spekulativer Mathematiker ist. Der Frage, ob Cassirer auch immer den beiden genannten Seiten gleichermaßen gerecht wird, geht Gregor Nickel im kritischen Blick auf die Vielschichtigkeit von Cassirers Unternehmen nach. Detailliert entwickelt wird von Martina Roesner die von Cassirer aufgegriffene Averroismusdebatte, die auf ihre Rolle bei der Frage nach der Individualität und Subjektivität überprüft wird. Auch Roesner legt wie Nickel hierbei ein besonderes Augenmerk auf das Handwerk Cassirers: Welche Perspektiven dominieren, welche Bezüge werden hergestellt oder vernachlässigt, was ist der Ertrag von Cassirers Erörterung? Besonders letztere Frage macht Harald Schwaetzer in seiner Untersuchung der Astrologie-Deutung Cassirers fruchtbar, indem er nach der Bedeutung die Astrologie für ein Verständnis des Zusammenhangs von cusanischer Aenigmatik und Cassirers Philosophie der symbolischen Formen fragt. Im Anschluss an die einzelnen Themen, die das cusanische Denken bei Cassirer umspannt, stellt Wolfgang Christian Schneider die Frage nach dem Verhältnis von Cusanus und der italienischen Renaissance. Schneider fasst das symbolphilosophische Denken Cassirers als ein Strukturdenken auf, so dass er in Cassirers Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance einen Anlauf zu einer strukturalen Deutung der italienischen Geistesgeschichte um 1500 sieht. Sämtliche Beiträge gehen auf den Cassirer-Workshop in Freiberg zurück und verdanken sich damit Idee und Motivation, Cassirers Individuum und Kosmos einer erneuten Lektüre zu unterziehen.

Kirstin Zeyer, Harald Schwaetzer, Nadja Görz