Verantwortung, digitale Transformation – das sind ganz große Themen, die in der gegenwärtigen Debatte um eine Maschinenethik von größter Relevanz sind. Dr. Nicole Thiemer von der TU Kaiserslautern argumentiert bei ihrem Vortrag am 18. September in der Edikint Reihe „Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und menschliche Entscheidung“ ausdrücklich aus der Perspektive der Maschinenethik.
Hilfsobjekte der Lebensmeisterung
Maschinenethik, so definierte Nicoel Thiemer zu Beginn, ist ein Teilbereich der philosophischen Ethik: „Von Maschinenethik spricht man erst seit ein paar Jahren. Der Grund hierfür ist die Technisierung, die Digitalisierung der Lebenswelt, in der Maschinen gegenwärtig vermehrt und in Zukunft noch mehr nicht mehr nur als Instrumente, als Hilfsobjekte der Lebensmeisterung Einsatz finden, sondern immer stärker sozusagen ‚selbsttätig‘ Agieren, wobei der direkte Einfluss des Menschen auf die Agitationen immer geringer wird. Große Schlagwörter in diesem Kontext sind die Fortschritte auf Seiten der KI, mit den Möglichkeiten des maschinellen Lernens, also einer Erweiterung des Einsatzes von Algorithmen. Diese Entwicklungen stellen die Gesellschaft vor neue bzw. veränderte ethische Herausforderungen.“
Ihren Vortrag widmete sie ausgewählten Aspekten der Diskussion innerhalb der Maschinenethik. Dabei stellte sie das Thema der Verantwortung in den Mittelpunkt. Nicoel Thiemer: „Verantwortung ist einer der zentralen Begriffe im ethischen Diskurs und im Zuge der digitalen und technischen Veränderung der Lebenswelt hat dieser Diskurs eine Wende eingenommen, die es zuvor so nicht gab. Kurz gesagt besteht diese darin, dass von Verantwortung bisher immer nur in Rückbindung an den Menschen gesprochen wurde. Gegenwärtig zeigen sich aber Tendenzen, die dahin gehen, dass an Maschinen, Roboter oder artifizielle Systeme Verantwortung übertragen werden soll. Dies ist aus ethischer Perspektive durchaus problematisch und lässt Rückschlüsse auf das sich gegenwärtig immer stärker ausprägende Selbstverständnis des Menschen zu.“
Der leichtfertig Verzicht auf Autonomie
Genau dieser kritische Aspekt wurde in der anschließenden Diskussion vertieft. Obwohl unzulässig oder doch zumindest fragwürdig scheint die Übertragung von Verantwortung auf maschinelle Systeme insbesondere der KI immer selbstverständlicher zu werden. Woher aber, so die gemeinsam bewegte Frage, kommt diese menschliche Tendenz? Ist es mangelndes Verständnis bzw. eine inhaltliche Überforderung? Oder sind es ganz einfach Faulheit und Bequemlichkeit, die den Menschen so leichtfertig auf sein Verantwortung und damit implizit auf Freiheit verzichten lassen.
Gerade in unserer aktuellen Situation, in der der Einsatz von KI dramatisch an Dynamik gewinnt, ist es also unabdingbar, neben den technischen Fragen, immer auch die ethischen und anthropologischen Dimensionen des Technikeinsatzes zu bedenken. Die eindrucksvollen Potential der KI entlasten uns in dieser Hinsicht keineswegs. Ganz im Gegenteil sie potenzieren unsere Verantwortung.
Frieder Schwitzgebel